NABU bezieht Stellung

 Eine Aufgabe des NABU ist es, sich einzumischen und für die Natur die Stimme zu erheben.

So bezieht der NABU Siegen-Wittgenstein immer wieder Stellung zu aktuellen Entwicklungen und Planungen, die Natur und Umwelt betreffen.

 

Eine Auswahl der Stellungnahmen aus den vergangenen Jahren finden Sie an dieser Stelle, die Beiträge im Menü sind chronologisch geordnet.



Der neue Artenschutz im Zeichen des Klimawandels


Eine Stellungnahme von Michael Düben

 

Lobbyisten werden von vielen demokratisch engagierten Menschen skeptisch betrachtet, da Lobbyisten versuchen, demokratische Prozesse und Entscheidungen zu beeinflussen und in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken. Meist geht es darum, möglichst großen finanziellen Nutzen und Unabhängigkeit für die Auftraggeber der Lobbyisten zu erreichen.

 

Lobbyisten, die sich für Windkraft einsetzen, werden dagegen von bestimmten Parteimitgliedern geradezu als Helden beim Kampf um den Klimawandel gefeiert, obwohl man auch mit der Windkraft sehr viel Geld verdienen kann. Da versuchen z.B. diese Lobbyisten tatsächlich im HSK die Ausweisung eines Vogelschutzgebietes, was dort für den Vogelschutz unbedingt nötig ist, zu verhindern, weil man ja sonst dort keine Windräder mehr aufstellen kann, und Teile der Partei, die laut ihrem Programm für Natur- und Artenschutz eintritt, applaudieren dazu.

 

Naturschützer, die sich auf demokratisch entstandene Gesetze für Natur- und Artenschutz berufen, wenn die Errichtung von Windkraftanlagen an speziellen Orten zur Tötung von streng geschützten Tieren führen könnte, und unabhängige Gerichte ihnen dabei Recht zusprechen, werden von diesen Lobbyisten übel als große Verhinderer bei der Bewältigung der Klimakrise beschimpft.

 

Um zu vermeiden, dass spezielle windkraftsensible Arten weiterhin durch Gesetze geschützt sind, werden nun durch unsere Bundesregierung einfach die Gesetze so geändert, dass dieser Teil der Natur keinen rechtlichen Schutz mehr hat. Bei der Abwägung von Schutzgütern bei der Errichtung von Windparks bekommt nun die Errichtung von Windenergieanlagen eine überragende Bedeutung gegenüber dem Schutzgut Natur- und Artenschutz. Wenn man also weiß, dass der Bau von WEA an einem speziellen Ort in Bezug auf den Artenschutz sehr problematisch ist, spielt dies jetzt keine Rolle mehr, da das Interesse an Windenergie andere Interessen, wie den Naturschutz, immer überragt. Um auch das europäische Artenschutzrecht auszuschalten, wird nun bestimmt, dass jedes Windrad, wo auch immer, der nationalen Sicherheit dient. Somit ist es jetzt kein Problem mehr, streng geschützte, planungsrelevante Tierarten durch den Bau und Betrieb von Windrädern zu töten. Eine rechtliche Handhabe dagegen gibt es nahezu nicht mehr. Der Rechtschutz ist abgeschafft, obwohl Naturschutz auch als Aufgabe der BRD im Grundgesetz steht. Eigentlich können wir jetzt bei jedem geplanten Windpark auf Artenschutzgutachten verzichten, weil sie für den Genehmigungsprozess ja keine Bedeutung mehr haben. Durch den Wegfall dieser nicht mehr nötigen Gutachten spart man Zeit und Geld. Dieses Vorgehen hat allerdings wohl weitere Konsequenzen für den Natur- und Artenschutz in Deutschland. Schon jetzt berufen sich Straßenbauer im Hinblick auf marode Autobahnbrücken auf diese Regelung, um die Beachtung des Natur- und Artenschutzes bei der Planung von Infrastrukturmaßnahmen abzuschaffen, da Straßen etc. wie die Windenergie auch eine überragende Bedeutung für Deutschland hätten und der öffentlichen Sicherheit dienen würden. Gilt das dann auch für den geplanten Ausbau der Route 57?

 

Ist eventuell der schwarz-grüne Koalitionsvertrag in NRW auch so zu verstehen, der ja alle Planungsschritte beschleunigen und vereinfachen und die rechtlichen Einspruchmöglichkeiten der Zivilgesellschaft verringern will? Auch die wichtigen Ausgleichflächen für die Natur bei der Nutzung von Naturflächen für Planungen soll es nicht mehr geben. Nun könnte man eigentlich meinen, dass Parteien, die auch wegen ihrer Aussagen zum Naturschutz gewählt wurden, dafür Sorge tragen, dass Natur- und Artenschutz anderweitig merkbar gestützt werden. Es ist schon skandalös, dass man solche Anstrengungen kaum findet. So sollen z.B. in NRW die Landesgelder für Naturschutz verdoppelt werden, aber der Stopp des Arten- und Biodiversitätsverlustes lässt sich nicht nur durch Geld erkaufen, sondern durch eindeutig gesetzlich fixierte Schutzmaßnahmen und Regelungen, die nicht vorgesehen sind.

 

Die im neuen Koalitionsvertrag NRW fixierten Naturschutzziele sind kümmerlich und die angedachten Maßnahmen dazu „von gestern“ und es ist bewiesen, dass diese schon bisher nicht den gewünschten Erfolg hatten. Noch dazu wird der Natur- und Artenschutz ganz schnell im Verkehrsministerium versteckt; da passt er ja auch prima hin. Es freut sich die Verkehrslobby.

 

Angeblich sind neben dem Klimawandel das Artensterben und die Biodiversitätskrise ein riesiges Problem auch für die Menschheit. Nun sollen 2 % der Landfläche der BRD der Windenergie zur Verfügung stehen. Umgekehrt gibt es schon seit vielen, vielen Jahren ein verabschiedetes Biodiversitätskonzept der BRD, an dem viele Parteien, sogar die FDP, gearbeitet und auch zugestimmt haben. Danach sollen 2 % der Landfläche der BRD als Wildnisgebiete zum Erhalt der Arten und der Biodiversität ausgewiesen werden.

 

Warum wird dieses Konzept nicht gleichzeitig als Ausgleich für die Belastung der Natur durch Windenergieanlagen genauso forciert und durchgesetzt? Ist es nicht scheinheilig, wenn man Natur- und Artenschutz propagiert und doch kaum was dafür tut?

 

Im Gegensatz dazu werden sogar eventuell notwendige Ausgaben der Windkraftinvestoren für den Artenschutz gedeckelt, da man den Investoren zu viel Kosten nicht zumuten will. Auch bei der Nutzung der riesigen Mengen versiegelter Flächen wie Hausdächer und Gewerbehallen zur Erzeugung regenerativer Energie gibt es großzügige Übergangsfristen. Dagegen sollen in NRW staatseigene Brachflächen, die eigentlich absolut wichtig für den Artenschutz sind, mit Fotovoltaikanlagen bestückt werden. Für die großen Parkplätze der Einkaufszentren oder von Gewerbebetrieben gilt diese Verpflichtung erst einmal nicht oder viel später.

 

Wir können dann ja alle beobachten, wie und ob Rotmilan, Bussard oder Turmfalke, die aus dem Wald der Windanlagen vertrieben werden, auf ehemaligen Brachflächen oder landwirtschaftlichen Flächen, die dann flächig mit Fotovoltaik bestückt sind, versuchen, Mäuse zu fangen, um zu überleben.

 

Michael Düben im Juni 2022